3. / 4.9.1814 - Die Probstei unter Wasser
Auszug aus "Skizzen einer Reise nach Holstein besonders der Probstey Preetz" von J. Taillefas, der 1817 in der Gegend unterwegs war und der ein sehr genaues Auge auf Geschichte und Gegend geworfen hat.
Überhaupt leidet das Land am Gestade der Ostsee sehr durch den Andrang des hohen Wassers bey Nordostwinde. Das hohe Uferland des Dorfers Stein verliert seit einigen Jahren ansehnlich, es wird vom andringenden Wasser unterminirt, und so stürzen ganze Stücken Landes herab. Auch in das Dorf selbst drang in frühern Zeiten das Wasser, so daß die Anlegung einer Schleuse nöthig befunden ward, welche aber jetzt durchaus verfallen ist. Eben so verlieren jährlich die salzen Wiesen bey Wenddorf und das Weideland ansehnlich und der ganze Strich salzer Wiesen am Gestade der Ostsee ist häufig Überschwemmungen unterworfen, welche besonders, wenn sie in der Zeit der Heuärndte eintreten, der Probstey äußerst nachtheilig sind. Am meisten leidet das Dorf Wisch, besonders einzelne Hufen, von deren Ländereyen ein großer Theil Fluthland ist.
Zuweilen entsteht durch die Fluth beträchtlicher Schaden. Vor 22 Jahren, grade in der besten Heuärndte, entstand mitten in der Nacht eine so starke Fluth, daß alles Heu weggetrieben ward, und sehr viele Kühe und Schafe ertranken. Noch vor acht Jahren ertranken viele Schafe, und es vergeht fast kein Jahr, in dem nicht durch den starken Andrang des Wassers beym Nordostwinde Schade geschieht. Nicht selten sind bey einem solchen Sturme und der wilden Fluth hier Schiffe auf den Strad gerathen.
Der Sturm, der am 3ten und 4ten Sep. 1814 in der Ostsee herrschte, und der heftigste war, dessen die Jahrbücher seit 1675 erwähnen, äußerte auch seine nachtheilige Wirkungen für die Probstey, deren an der Küste beleg'ne Ländereyen eine Überschwemmung erlitten, die sowohl in Rücksicht auf ihren Umfang, als auf ihre Wirkungen zu der bedeutendsten gehört, denen diese Küste je ausgesetzt gewesen ist. Mehrere Ländereyen wurden überschwemmt, die man bisher nie dem Fluthlande der Probstey beizählte.
Um Schönberg herum waren nicht bloß alle Wiesen ganz überschwemmt, welche gewöhnlich theilweise der Fluth ausgesetzt sind, sondern auch mehreres Ackerland stad unter Wasser. Der Fußsteig nach dem Holm, selbst ein großer Theil des Fahrweges, mehrere Plugländereyen dieser Hufe, und andre Hufen der Warder, die Immenhorsten, die Koshagen, waren überschwemmt. Man schätzte das überschwemmte Land zwischen der Kuhbrücke und dem Stackendorfer Lande reichlich auf 1000 Tonnen.
An der Stackendorfer Küste ging das Wasser an mehreren Stellen über den hohen Strand. Zwischen der Scheide und der Stradkathe, wo ein hoher Strand über 32 Fuß breit ist, drang es so heftig durch den Strand, das der dahinter befindliche Grabenwall durchbrach.
Die ganze Gegend um das Dorf Wisch war eine Wasserfläche; das Wasser stand mitten im Dorfe, und an eineigen Häusern so hoch, daß es schon über die Schwelle zu treten im Begriff war.
Vom Barsbecker Lande waren mehr als 200 Tonnen überschwemmt, die nie vorher der Fluth ausgesetzt waren. Auch in das Dorf selbst drang das Wasser, und der Eintritt des salzen Wassers machte auf mehreren Hofstellen die Tränkstäten für das Vieh unbrauchbar.
Bey den Dörfern Wentdorf, Stein und Laboe erreichte das Wasser eine ganz ungewöhnliche Höhe.
So war diese Überschwemmung äußerst beträchtlich, sowohl durch ihren Umfang, wie durch den Schaden, den sie verursachte. Es ertranken an 200 Schafe und über 20 Stück Rindvieh. Mehreres Rindvieh war durch das lange Schwimmen theils erkrankt, theils sehr beschädigt. Hier würde der Schade um vieles größer geworden seyn, wenn die Fluth bey Nacht eingetreten wäre, und wenn nicht die kluge Entschlossenheit einzelner Eingesessenen der vorzüglich bedrohten Dörfer, die wirksamsten Rettungsmittel ergriffen, und mit Muth und unerwüdeter Thätigkeit durchgeführt hätten. Erst rettete das Vieh sich selbst auf die höchsten Plätze. Der Zufluchtsort ward aber bey der zunehmenden Fluth bald zu klein, und besonders vertrieb das Rindvieh die Schafe, welche dann bald von den Wellen mit fortgerissen wurden. Mit einem zu Wagen herbeygeführten Boot eilten nun einzelne entschloss'ne Männer zur Rettung des Viehes herbey. Ihre Versuche und Anstrengungen hatten den erwünschten Erfolg. Die Schafe wurden in's Boot aufgenommen, das Rindvieh mußte sich durch Schwimmen retten. Es scheint äußerst bemerkenswerth, wie das Vieh in solchen Fällen der Noth sein Verlangen nach dem Menschen, und sein Vertrauen auf ihn auf mannichfache Weise an den Tag legt. Es achtet auf jeden Wink, es folgt jedem Zuruf. Auf diese Weise wurde viel Vieh gerettet.
Auch wurde durch diese Überschwemmung vieles Ackerland für mehrere Jahre, als auch mehrere Brachkoppeln, wenigstens für ein Jahr unbrauchbar. Endlich aber wurden an mehreren Stellen kleinere und größere Stücke Landes abgerissen und weggetrieben. Das hohe Uferland zwischen Stein und Laboe ist von den anschlagenden Wellen so unterminirt, daß schon jetzt mehrere beträchtliche Stücke herabgestürzt sind, mehrere noch herabzustürzen drohen.
Titelbild: Pieter Bruegel - Seesturm
Entstanden um 1560. Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Wien.
Öl auf Holz, 70,5 X 97 cm